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Mit dem Kanu durch die Krise

„Erleben und Genießen“, unser Blog-Motto scheint in Corona-Zeiten unmöglich geworden zu sein. Ist das wirklich so?

Auch wenn sich die Beschränkungen im Monatstakt ändern, können zumindest wir Ältere unsere Erlebens- und Genießerlücken finden.

Sommer 2019 entdeckten wir unsere Leidenschaft für das Kanufahren. Mit 72 in ein wackeliges Boot steigen? Sitzend drei Stunden die Paddel durchs Wasser ziehen? Das nicht ganz leichte Boot an Land ziehen?

Es gibt körperliche Grenzen. Jedoch waren wir über uns selbst erstaunt, dass wir, die wir kaum Wassererfahrung hatten, die Hindernisse überwunden haben. Wir möchten unsere Erfahrungen gerne weitergeben.

Die Lahn in Hessen, zwischen Gießen und Nassau, später die Werra, waren in den Jahren 2019 und 2020 unsere „Reviere“.

Zögernd und noch unsicher mieteten wir zunächst in Gießen ein Kanu, ließen uns die Handhabung erklären und wagten eine erste 1½ stündige Rundtour über die dort strömungsarme Lahn. Schon dieser erste Ausflug vermittelte eine völlig neue Sicht auf unsere vermeintlich so zersiedelte und industrialisierte Landschaft. Der Fluss, der hier nicht schiffbar ist, zeigte sich in einem durchgehend grünen Kleid. Schrebergärten, Büsche und Bäume säumten den gewundenen Lauf. Aufgeschreckte Graureiher, Enten und Schwäne, die sich nach kurzer Flucht wieder niederließen und sich aus sicherer Entfernung durch unser fast lautlos dahingleitendes Boot nicht mehr stören ließen. Wir hätten uns nie vorstellen können, dass diese ansonsten vom Menschen geformte Landschaft aus der Flussperspektive so sehr von der Natur geprägt ist.

 

Für den Anfang ist Mieten vermutlich die richtige Lösung. Verleiher finden sich zahlreiche im Netz. Für eine Tagestour muss man mit etwa 40-50 Euro für ein Boot rechnen, inklusive Paddel, Schwimmweste, wasserdichter Tonne oder Packsack. Teilweise ist der Rücktransport mit eingeschlossen.

Das Paddeln war weniger anstrengend als vermutet, die richtige Technik vorausgesetzt. Das Besteigen des Kanus stellt zunächst die größte Herausforderung dar. Paddel quer über den Bootsrand legen, dann den ersten Fuß in die Mitte des Bootsbodens setzen, den zweiten nachziehen und zügig auf das Bänkchen setzen, geschafft. Vom Steg oder Uferrand abstoßen und los geht es. Gepaddelt wird fast immer flussabwärts. Gegen die Strömung hätte man keine Chance. Nach Bedarf wechseln die Partner die Paddelseite, aber immer versetzt, der eine links, der andere rechts. Der „Steuermann/die Steuerfrau“ sitzt hinten. Er oder sie muss mit leichten Ruderausschlägen zur Seite den Geradeauslauf des Bootes sichern. Am Anfang sind „Schlangenlinien“ beim Fahren erlaubt. Im Gegensatz etwa zum Segeln ist das Rudern ein Entspannungssport. Paddeln, Treibenlassen wechseln sich ab, mal etwas Mühe an einer Stromschnelle, dann wieder entspannt weitertreiben, die Landschaft genießen, eine Pause einlegen. Nichts ist weniger stressig als Kanufahren.

Ein kleines Abenteuer zu Beginn sind Schleusen, von denen es in unseren Binnengewässern zahlreiche gibt, am aufregendsten die mit Selbstbedienung. Vor der ersten Schleusung sollte man einmal zusehen, wie es andere machen oder sich helfen lassen. Die falsche Reihenfolge beim Öffnen der Schleusentore hätte möglicherweise fatale Folgen, ein Entleeren des vorherigen Flussabschnittes und die Überschwemmung beim nachfolgenden. In der Praxis jedoch ist das kein Hindernis, und helfende Hände sind meist zur Stelle. Im schiffbaren Abschnitt der Flüsse sind die Schleusen bemannt und man bleibt in seinem Kanu während des Schleusens bequem sitzen.

Bei Wehren ohne Schleusen oder bei extrem niedrigen Wasserstand muss man das Boot umtragen. Oft steht ein Transportwägelchen bereit. Auch hier gilt, gegebenenfalls helfende Hände anderer Paddler in Anspruch nehmen

Wer die Ruhe liebt, sollte die Wochenenden meiden. Da ist oft Party angesagt, wenig entspannend für Ruheliebende.

Die Route sollte man gut planen. Irgendwie muss man nach der Tour zu seinem Ausgangspunkt, dem geparkten Auto, zurückkommen. Da ist die Lahn ein idealer Fluss. Während des gesamten Abschnittes, zumindest von Gießen bis zur Mündung in den Rhein, verläuft parallel eine Bahnstrecke, die man für die Rückfahrt zum Ausgangspunkt nutzen kann. Den Bootsverleihern teilt man seinen Ausstieg mit. Die kümmern sich dann um den Rücktransport des Bootes.

Bei anderen Flüssen, etwa der Werra, werden auch die Passagiere zurückgebracht, weil es dort keine Bahnverbindung gibt.

Kanufahren ist ein erlebnisreiches, entspannendes und problemarmes Vergnügen. Auch für diejenigen geeignet, die „nicht mehr so gut auf den Beinen“ sind.

 

Einige unserer Kanutouren:

 

Auf der Lahn

- Weilburg bis Leun, 17 km, ca. 4,5 Std.

Besonders spannend gleich zu Beginn ein Flusstunnel und direkt danach eine Doppelschleuse. Rückfahrt mit der Bahn.

 

- Laurenburg bis Nassau, 15 km, ca. 4 Std.

Rückfahrt mit der Bahn.

 

Auf der Werra

- Kleinvach bis Lindewerra, 8 km, ca. 2,5 Std.

Rücktransport durch den Ausleiher.

 

Inzwischen haben wir ein eigenes Boot, um von Verleihern, insbesondere während der Coronakrise, unabhängig zu sein. Für knapp 700 Euro findet man ein durchaus hochwertiges Boot für zwei bis drei Personen. Für Paddel, Rettungsweste, Transportwagen  und wasserdichten Packsack kommen noch einmal rund 150 Euro hinzu.

Unsere nächsten Ziele stehen schon fest. Nach kleinen deutschen Flüssen planen wir Touren in Lothringen, auf dem französischen Teil der Mosel.

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